Thema : Rollerantrieb , Variomatik etc.

Der Name ist Programm . Alles , was NICHTS mit euren Rollern zu tun hat , kommt hier rein . Viel Spaß !
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MeisterZIP
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Thema : Rollerantrieb , Variomatik etc.

Beitrag von MeisterZIP »

Da es hier immer wieder mangels Wissen zu Mißverständnissen kommt , muß ich einfach mal was dazu schreiben .

Wofür sind Variomatikrollen eigentlich da ? Sie ermöglichen die Änderung der Übersetzung durch Fliehkrafteinwirkung .
Übersetzung beim Anfahren : Kurz , also bildlich : !.Gang . Dann wird die Übersetzung stufenlos in lang geändert , also "hochgeschaltet" , wenn man Gas gibt .

Läuft der Motor , erzeugen diese Rollen durch ihre Masse Fliehkräfte , wodurch die Rollen in den Rollenbahnen in der Variomatik nach außen verschoben werden . Die Andruckplatte hinten auf der Variomatik kann sich nicht bewegen ( sie dreht sich nur mit ) , nur die Variomatik selber . Durch die sich auf ihren Laufbahnen bewegenden Rollen wird also die Variomatik nach außen verschoben ( auf der Variomatiklaufbuchse ) . Die Variomatik dient dabei als innere Riemenscheibe vorne , die fest auf der Kurbelwelle davor verschraubte Riemenscheibe ist die äußere Riemenscheibe vorne .
Wird also jetzt die Variomatik nach außen geschoben , ändert sich zwischen ihr und der äußeren Riemenscheibe der Abstand . Der Riemen läuft zwischen diesen Scheiben und wird durch den geänderten Abstand nach außen gedrückt . Die Riemenscheiben sind innen schräg ausgeführt , damit der Riemen schön wandern kann und eine Übersetzungsänderung ermöglicht .
Da der Riemen aber immer die gleiche Länge hat ( er dehnt sich also nicht wie ein Gummiband ) , muß diese Änderung der Stellung des Riemens zwischen den vorderen Riemenscheiben wieder kompensiert werden .
Hierfür gibt es noch ein weiteres Paar Riemenscheiben , die am anderen Ende des Riemens ( wenn man von Ende sprechen kann ... ) wirken .
Das geht so : Vorne fahren die beiden Riemenscheiben beim Beschleunigen zusammen , der Radius , auf dem der Riemen läuft , wird also größer . Im gleichen Verhältnis wird der Abstand zwischen den hinteren Riemenscheiben dabei kleiner , sodaß die durchlaufenden Radien vorne und hinten addiert immer die gleiche Zahl ergeben .
Sind die vorderen Scheiben ganz zusammengefahren , sind also die hinteren Scheiben ganz auseinander gedrückt und umgekehrt . Bei Halbgas sind somit beide Scheiben gleichmäßig voneinander entfernt .
Können die vorderen Riemenscheiben nicht komplett zusammenfahren , ist das Fahrzeug gedrosselt , weil die maximale Übersetzung so nicht erreicht werden kann .
Dies geschieht durch eine Begrenzung des Verstellweges der Variomatik . Dies ist entweder eine Laufbuchse mit einem Bund , gegen den die Variomatik läuft , oder eine Scheibe hinten auf der Variomatik , die den gleichen Effekt hat , diese wird häufig bei Mofadrosseln eingebaut , da ist die Übersetzungsänderung quasi komplett blockiert , der Motor läuft also immer mit der Anfahrübersetzung .

Damit dieses System immer Leerlauf wieder in seine Ursprungsstellung zurückgeht , reichen bei weitem nicht die geringer werden Fliehkräfte der Variomatikrollen aus , diese würden im Leerlauf nie von selber in die Grundstellung zurückgleiten . Deswegen sind die hinteren Riemenscheiben durch eine große Feder , die Gegendruckfeder ( GDF ) unter Spannung gehalten . Bei entferntem Riemen kann man erkennen , daß die Feder beide Scheiben ganz zusammendrückt .

Beim Beschleunigen müssen die Fliehkräfte der Variomatikrollen also erstmal die Federkraft dieser GDF überwinden , damit sich die Riemenscheiben überhaupt verschieben können .

In der heutigen Zeit sind strenge Geräuschvorschriften jeder dem Motor und seiner Leistung entsprechenden Beschleunigung ein Hindernis .

Um die Geräusche möglichst gering zu halten , werden dementsprechend häufig Variomatikrollen eingebaut , die schwerer als notwendig sind . Die Konsequenz sind damit durch die höhere Masse auch höhere Fliehkräfte . Damit wird die Übersetzung schneller von kurz in lang geändert ( der Motor "schaltet" also früher hoch . Schön leise , aber schlechtere Beschleunigung , weil besonders der kleine 50-250ccm-Motor seine Kraft gezwungernermaßen aus der Drehzahl holt ...

Man kann also durch den Einbau leichterer Variomatikrollen die Beschleunigung verbessern , weil der Motor beim Beschleunigen später "hoch schaltet" . Daß das verboten ist , muß ich nicht extra erklären ...

Jeder , der mal ein Schaltfahrzeug gefahren hat , wird verstehen , daß man durch frühes Hochschalten zwar schön leise fahren kann , beim späterem Hochschalten ( gleicher Gasweg ) aber eine deutlich bessere Beschleunigung erzielt , so ist es hier halt auch , nur mit dem Unterschied , daß das "Schalten" durch die Masse der Variomatikrollen in seiner Wirkung begrenzt ist . Man kann halt schlecht während der Fahrt die Rollen tauschen ...
Größere Roller haben elektrische Riemenscheiben-Verstellmechanismen , die man von außen durch Knopfdruck variieren kann .
"Normal" :Simuliert schwere Rollen , also schnelles Hochschalten ,
"Sport" simuliert leichte Rollen und bessere Beschleunigung .
Sowas ist aber ein sehr komplexes und teures Bauteil , was im heutigen Kostenkrieg nicht bei den kleinen Fahrzeugen der 1-2000.-Euro-Klasse finanzierbar ist .

Zurück zum Thema : Leichte Rollen schön und gut , aber man kann es auch übertreiben . Dann reicht nämlich die Fliehkraft auch bei Vollgas nicht aus , die Federkraft der GDF komplett zu überwinden , somit wird die maximale Übersetzung nicht erreicht und das Fahrzeug ist langsamer als vorher .
Umgekehrt : Baut man schwerere Rollen rein , kann es durchaus zu einer Verbesserung der Leistungsausbeute führen ( besonders wenn der Hubraum verändert wurde und der Motor damit mehr Kraft hat ) , in den meisten Fällen ist aber nur ein schlechterer Anzug und teilweise geringere Endgeschwindigkeit die Folge , weil dem Motor an Steigungen die Puste ausgehen kann . Schwerere Rollen zur Kraftstoffersparnis durch schnelleres Hochschalten , das funktioniert , aber auf Kosten des Anzugs . Dieser Nutzen ist fraglich .

Auch kann man NIE die optimale Rollenmasse verallgemeinern .
Jeder Motor reagiert anders , der eine Fahrer wiegt 50kg , der andere ist mit der 150kg-Sozia unterwegs , der eine will Sprit sparen , der andere ist auf Vmax aus . Der eine Motor ist gerade neu , der andere schon ausgenudelt . Mal wird ein anderer Auspuff drunter geschraubt , der das Leistungsverhalten des Motor komplett ändert , mal ist der Vergaser kleiner bedüst oder der Auslasskanal verkokt oder die Kolbenringe verschlissen . Ich kann das hier noch weiterführen , aber ich denke , das war deutlich genug .

Wenn man etwas an der Variomatik ändern möchte , ist halt Ausprobieren angesagt . Als Learning by doing würde ich das mal beschreiben .

Weiter im Text .
Wie man gesehen hat , ist nicht nur die Masse der Rollen , sondern auch die GDF für die richtige , gewünschte Beschleunigung zuständig . Hat man die Möglichkeit , die GDF gegen eine andere Feder mit einer stärkeren Federkraft zu tauschen , kann man hiermit das gleiche wie mit leichteren Variorollen erreichen , die Übersetzung wird nicht so schnell verändert , wenn man beschleunigt . Auch hier ist Ausprobieren angesagt , es gibt KEINE ALLGEMEINLÖSUNG !!!

Der versierte Tuner kombiniert die Masse der Variorollen mit der richtigen GDF , um folgendes zu erreichen : Der Motor dreht beim Gasgeben direkt auf seine optimale Drehzahl , wo er seine höchste Leistung abgibt . Auf dieser Drehzahl bleibt der Motor möglichst bis zum Erreichen der Endgeschwindigkeit , ermöglicht durch die permanente Übersetzungsänderung der Riemenscheiben bis auf Maximum , i.V. mit der steigenden Geschwindigkeit .

Dieses Optimum kann teilweise nur erreicht werden , wenn man zusätzlich noch in die Funktion der Kupplung eingreift , sowie eine andere Auspuffanlage anbaut und zumindest die Vergaserbedüsung ändert , was natürlich immer weiterführende Anpassungsmaßnahmen mit sich bringt .

Thema Kupplung : Automatikroller haben meistens eine Fliehkraftkupplung . Die sitzt i.d.R. auf den hinteren Riemenscheiben . Die Baugruppe "hintere Wandlereinheit besteht somit aus den hinteren Riemenscheiben , der auf sie drückenden GDF und der aufgeschraubten Kupplung . Das Ganze sitzt auf der Getriebeeingangswelle und ist frei drehbar auf Lagern drehbar , hat also keine permanente kraftschlüssige Verbindung zu der Welle .

Dreht sich nun die Kurbelwelle bei laufendem Motor , wird hierdurch die Variomatik und die äußere vordere Riemenscheibe gedreht , der dazwischen aufgelegte Riemen wird in Bewegung versetzt . Auf der anderen Seite läuft der Riemen zwischen den hinteren Riemenscheiben und setzt diese wiederum samt Kupplung in Bewegung .
Aber einer gewissen Drehzahl werden die Reibbeläge der Kupplung durch die Fliehkaft soweit nach außen gedrückt , daß sie auf der sie umgebenden Kupplungsglocke packen und diese mitdrehen . Die Glocke ist wiederum fest mit der Getriebeeinganswelle verbunden und dreht diese mit , wodurch sich wiederum der Rest des Getriebes und damit das Hinterrad dreht .
Verringert man die Drehzahl , werden die Kupplungsbeläge durch kleine Federchen wieder zurückgezogen ( die Fliehkräfte werden also wieder geringer als die Federkräfte der Federchen ) und der Kraftfluß zum Hinterrad unterbrochen .

Wenn man jetzt beim Beschleunigen (s.o. ) so schnell wie möglich in den optimalen Drehzahlbereich des Motors kommen will , reicht es mitunter aus , die Variorollen zu erleichtern . Manchmal ist aber hier das Einkuppelverhalten der Kupplung im Weg , weil diese viel zu früh einkuppelt und somit ein schnelles Hochdrehen verhindert . Was tun ?
Abhilfe kann hier der Einbau von anderen Rückholfederchen an den Reibbelägen sein , die eine höhere Federkraft haben , somit die Beläge erst bei höheren Drehzahlen die Glocke packen lassen . Die Kupplung schleift länger ( klar , höherer Verschleiß , aber das soll uns jetzt mal egal sein ) , der Roller fährt bei deutlich höheren Drehzahlen los , aber dies durchaus mit besserem Anzug .
Auch hier muß man experimentieren , eine Allgemeinlösung gibt es nicht .
Der Einbau dieser Federchen ist übrigens ein wenig aufwändiger als der Einbau anderer Variorollen , das nur zur Info ...

Lösungsvorschläge ?
Wer einfach nur beim 50er etwas schneller als erlaubt sein will , schaut auf www.zzip.de nach , da steht alles zu Drosseln etc.

Besserer Anzug bei den 125-500ern ermöglichen leichtere Variomatikrollen . Hierbei sollte man Originalrollen der Haltbarkeit wegen verwenden . Da es diese Rollen aber nicht in leichterer Ausführung gibt , ist Ausdrehen dieser Rollen die einzige Alternative , wie wir sie auch herstellen . Die Lebensdauer des Motors wird nicht herabgesetzt , weil die Motoren eigentlich für leichtere Rollen gebaut worden sind !!!


Wer beim 50er richtig viel Leistung haben möchte , sollte bedenken : Mehr Tuning als das Entfernen der Seriendrosseln verringert die Lebensdauer des Motors rapide ! Verbaut hochwertige Rollen , sonst könnt ihr jeden Monat neue Rollen einbauen ! Abstimmsets , bei denen man die Masse durch zusammenstecken variieren kann , halten nicht , sie sind nur zum Abstimmen geeignet !!!
Wer denkt , einfach einen anderen Auspuff drunter und das war's , hat sich gewaltig getäuscht . Denn um einen gut laufenden Motor zu haben , muß das hier alles zusammen funktionieren :
-Variomatikrollen
-Auspuff
-Vergaser
-Zündung-
-Kupplung
-Gegendruckfeder
-Verschleiß am Motor und Riemen
-Gewicht des Fahrers /Beifahrers
-Einsatzgebiet : Ebene oder Steigungen
-Einsatzwunsch : Leistung oder Anzug , etc.
-Motortyp : 2T/4T
-Hubraum
-Langelebigkeit oder Spaß ?

und noch einiges mehr . ...

Man sieht , die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht , man muß in den meisten Fällen einen Kompromiß eingehen . Und der Weg dahin ist sehr steinig .

MeisterZIP
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MX-Kusti
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Beitrag von MX-Kusti »

Puhh... ganz schön viel zu lesen, aber sehr Aufschlußreich.
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tjoris
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Beitrag von tjoris »

wieso hab ich das gefühl, mit meiner endlosen fragereich, welche gewichte nun die bessern seien, diesen beitrag verschuldet zu haben ^^
thx meister ^^
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mxuer
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Beitrag von mxuer »

Danke MeisterZIP !

Tolle bescheibung. Da kann man mal sehen das dass nicht so mal eben gemacht werden kann.


--------------------- bravo------------------------!
MXU150 blau 24000km seit 03.07
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Kymcotasche

Honda Melody/ Yamaha DT 50R/ Aprilia Guliver und Area 51 SBK/ Kymco MXU 150--- mal sehen was als nächstes kommt!
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Beitrag von Agi50mmc2007 »

Bei Youtube gibt es ein Video wo man gut sehen kann wie der Riemen nach außen gedrückt wird...

http://www.youtube.com/watch?v=S1DX0hmes8E
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OldSch00l
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Beitrag von OldSch00l »

Ok meinen Thread über Rollen bitte schließen (S8 Forum)!!! :P

Also der text was sehr aufschlussreich!!!

Jetzt habe ich aber trozdem eine kleine Frage, du hast ja geschrieben, dass mehr Tuning als das Entfernen der Seriendrosseln die Lebensdauer des Motors rapide verringert. Nun wollte ich wissen ob dann ein 80 ccm die Lebensdauer auch verringert?!
Ich weiß du schreibst immer dass der Motor ursprünglich für 80 ccm ausgelegt ist, aber zählt ein 80 ccm Zylinder für dich als mehr Tuning als das Entfernen der Seriendrosseln?!
DnB 4 LIVE!!!

Super 8 steht für mich für viel Sitzplatz und Beinfreiheit, sehr gutes Aussehen, ein ganz gutes Tempo und ein zu kleines Helmfach ;)
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Andre
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Beitrag von Andre »

Hallo Meisterzipp

Dein Beitrag ist sehr gut und verständlich.

Gruss: Andre
Zweiter Offizieller Rollertreff von Mülheim a.d. Ruhr nach Xanten http://de.youtube.com/user/Rollerfahrer45
Rollertreff auf der BIKER FARM in DÜlmen 01,03,2009
http://www.myvideo.de/watch/6076591/Die_Wilden_Dreizehn
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