Ein Rückblick ...

Der Name ist Programm . Alles , was NICHTS mit euren Rollern zu tun hat , kommt hier rein . Viel Spaß !
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MeisterZIP
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Ein Rückblick ...

Beitrag von MeisterZIP »

2020 fing eigentlich ganz gut an . Kein sonderlich arktisches Wetter , ich hatte genug zu tun .

Irgendwann mal eine Meldung aus China in den Nachrichten , die einem so vorkam wie die Sache mit der Schweinegrippe , also eigentlich nichts dabei gedacht .
Damals mit H5N1 oder so haben mein Azubi und ich uns brav ümpfen lassen , lagen danach ein Wochenende flach und das wars dann .

Aber die Nachrichten wurden aber immer mehr .

Zwischenzeitlich belohnte sich meine jüngste Tochter nach dem bestandenen Abi mit einem Urlaub in Thailand . Erste Fotos kamen , Tempel , Strände , sie war glücklich .

Dann überschlugen sich die Ereignisse . Das , was in China auftrat , kam dank Flugverkehr jetzt postwendend nach Italien , Österreich , Deutschland .

Die Regierung schob Panik , wie bei einer bevorstehenden Zombie Apokalypse .
Deutsche wurden weltweit zurückgeholt , weil sich wohl anbahnte , dass der Flugverkehr eingestellt werden sollte , um weitere Ausbreitungen zu minimieren .

Meine Tochter kam mit dem allerletzten Flieger vorzeitig aus dem Urlaub , hinter ihr wurden die Flüge allesamt gestrichen .

Hierzulande ging es dann recht schnell . Masken , erst egal welche , dann immer spezifischer . Abstand halten , keine Umarmungen mehr , kein Händeschütteln .

Abschaltung der gesamten Gesellschaft . Arbeiten durfte man noch , wenn man das konnte und durfte , Millionen gingen in 100% Kurzarbeit .
Der Rest verschwand nach und nach im home office , nur die systemrelevanten Berufe durften weitermachen . Behörden wurden geschlossen .

Die Autobahnen waren leer . Der Spritpreis sank .
Das Einzige mal in meinen Leben bin ich 50km durchgehend Vollgas auf der Autobahn gefahren , es war keiner da .

Alles auf Eis gelegt . Nicht mal zusammen trinken oder grillen durftest du .

Im Sommer dann etwas Normalität . Man durfte wieder raus . Die Sonne schien . Wir fuhren Motorrad , genossen die Currywurst am Ring oder trafen uns wieder mit Freunden .

Es schien vorbei . Kurz und heftig .

Unsere Katzen kamen ….. 2020er Jahrgang . Was für eine Freude !

Dann wurde das Wetter schlechter und wie bei der jedes Jahr wieder kommenden Grippe kam auch etwas anderes wieder .
Wieder ging alles den Bach runter .
Alles zu , Flüge gestrichen , Urlaub weg . Balkonien war angesagt .
55.er Geburtstag ersatzlos gestrichen , ein Kerzchen auf dem Kuchen , das wars .

Das ging dann den ganzen Winter so . Zwischendurch wurde im Sommer die Mwst mal ein halbes Jahr gesenkt und brav zum Jahreswechsel wieder erhöht . Toll …

Dann wurde es wieder besser . Langsam kehrte wieder Normalität ein . Mit der Sonne wurde alles besser . Lustigerweise war die Grippewelle komplett ausgefallen .

Die Nachwirkungen kamen dann erst nach und nach .
Ersatzteile fehlten , dann Fahrzeuge , dann die Mikrochips , weil die Lieferketten zusammengebrochen waren .
Alles musste langsam wieder hochgefahren werden .
Wir haben damit gelebt , wie mit allem anderen auch .
Maske an und durch !

Unsere Katzen waren fleißig und haben Nachwuchs bekommen .
Zwei wunderbare Monate mit Gewusel in allen Ecken !
Inzwischen leben sie alle bei guten Freunden , die kitten ,man hat eine Whattsapp Gruppe und schickt sich täglich Fotos . Wunderbar !

Es war fast überstanden und inzwischen konnte man sich ja auch ümpfen lassen , ein Lichtblick , selbst , wenn es nur für das gute Gewissen ist .

Wir fuhren wieder Motorrad , wir flitzten mit dem Cabrio und Freunden um die Kurven , tranken abends gemeinsam ein kaltes Bier . Es wurde langsam wieder .



Dann kam die Flut .
Nichts war mehr wie zuvor .
Für uns war das Heimat . Für uns ist das immer noch Heimat .
Alles zerstört .
Es war schlimm .

Hier hatte ich nur 15 Eimer Wasser in der Werkstatt , nach zwei Stunden war alles wieder draußen . Zu Hause fiel dann abends der Strom aus und blieb eine Woche weg . Ein Aggregat hat uns hier Bequemlichkeit verschafft . In der Werkstatt waren 1 ½ Tage die Lichter aus . Als der Kompressor leer war , bin ich nach Hause gegangen und habe ein Bier getrunken .

Also alles Heulen auf hohem Niveau .

Aber nur 1km weiter war alles weg . Es war wie nach einem Bombenangriff .
Man kann es sich nicht vorstellen , wenn man es nicht selber gesehen , gerochen , gefühlt hat .

Wir sind drei Tage nach der Flut durch nicht endende Schleichwege über zerstörte Straßen und verbogene Brücken das erste mal im Ahrtal gewesen , das Auto bis oben hin voll mit Hilfsgütern . Für sonst 23 Minuten brauchten wir 5 Stunden und 160km .

Wir haben geholfen . Viele haben geholfen .
Alle waren solidarisch und halfen sich gegenseitig , es war wie eine große Familie , in all der unglaublichen , kaum zu erfassenden Zerstörung . Zum Heulen war einfach keine Zeit .

Ich habe eine Wasserversorgung aufgebaut , damit man Hochdruckreiniger nutzen konnte . Spendenaktionen ins Leben gerufen , die Menschen kamen aus meinem Wohnort und am Arbeitsort auch und spendeten , was das Zeug hielt .
So brachten wir vieles ins Tal , was wirklich gebraucht wurde .
Nicht Kleidung , sondern Benzin .
Weil es keine Tankstellen mehr gab .
Und keinen Strom .
Und die Aggregate für die Hochdruckreiniger und Pumpen brauchten Benzin .
Und Aggregate halt .
Und Hochdruckreiniger . Schläuche und Schlauchverbinder und Schlauchverteiler .
Und Handschuhe gegen den Dreck und gegen Verletzungen .
Und Handtücher . Desinfektionsmittel .
Und Schaufeln sowieso und Schubkarren. Besen und Panzertape .
Und Batterien für Taschenlampen .
Und Power Packs für die Handys und Werkzeug zum Reparieren ( hier der Dank an Würth für die Spende !!! ) .
Und soviel mehr , was einfach weg war oder dringend gebraucht wurde .

Kaputte Geräte konnte ich oft vor Ort reparieren oder ich nahm sie mit und machte sie in der Werkstatt neben dem Tagesgeschäft wieder fit .

Fahrzeuge kamen in die Werkstatt und auch die brachte ich wieder in Gang .
Zumindest in den ersten zwei,drei Wochen .

Ich habe mir etliche Schnittwunden eingefangen .
Eine Muskelverklebung im Unterarm , vom ewigen Anziehen der Aggregate .
Habe ich dann dank einer Kundin wieder auskuriert , die mich erfolgreich massiert hat .
Danke, Sumipatra !

Dann spendeten die Menschen Fahrzeuge .
Ich machte sie fit und verkaufte sie .
Arbeit für umsonst , Erlös ging bar an die Menschen , die alles verloren hatten .
Tränen flossen und man umarmte sich . Trotz Verbot .

So kamen einige Tausend Euro zusammen . Gut so . Es tat gut in all dem Leid .



Nach drei Wochen Dauerhilfe konnte ich nicht mehr schlafen. Nur noch mit Pillen . Es war einfach zu traumatisierend gewesen .
Ich harter Hund hätte nie gedacht , dass mich irgendwas mal so mitnehmen würde , so pragmatisch , wie ich bin .

Ich habe dann auch aufgehört , Maschinen zu zerlegen, weil jetzt nur noch fest gerostete Motoren kamen , wo Hopfen und Malz verloren war . Der Schlamm war wie Beton .
Ich musste auch mal wieder was Positives haben .

Ich habe mich wieder beruhigt .
Bin sogar mal Roller gefahren , mitten durchs Chaos , vier Wochen nach der Flut .
War dann ein schlafloses Wochenende , hatte mich wieder voll erwischt und mitgenommen . An vielen Stellen war es noch so wie am Tag danach .

Ich bin dieses Jahr nicht mehr dahin gefahren . War besser so . Die Wochen haben gereicht .

Heute Abend das erst mal seit langer Zeit , wir sind zu einem Dankesessen eingeladen . Ein Restaurant , das es nicht erwischt hat .
Die Ahr ist 50m vorher abgebogen …


Der Sommer war verregnet , die Arbeit ging weiter , die Materialknappheit auch . Wie oft musste ich Kunden sagen , dass z.Bsp, ein Reifen nicht lieferbar war . Oder auch eine Batterie oder ein Bremshebel . Fahrzeuge gab es eh nur noch mit viel Glück .
Wir haben Geduld .

Dann wurde das Wetter wieder schlechter und der ganze Dreck ging wieder von vorne los .
Es ist , als ob das Murmeltier wieder grüßt .
Hört es denn nie auf ?

Schon wieder ümpfen .
Ob es was bringt ?
Ich habe es einfach gemacht , alleine schon wegen der armen Kinder , die jetzt schon im zweiten Jahr maskiert ihr Leben fristen müssen .
Zuhause , neben Papa oder Mama im home office auf 60qm .
Es muss ja irgendwann mal aufhören.
Die Erwachsenen gehen anders damit um .
Mir graut davor .
Nein , nicht vor einem qualvollen Tod , sondern von einer kalten , separierten Gesellschaft , die sich gegenseitig zerfleischt .
Mir graut vor den traumatisierten Kindern .
Die sind für ihr Leben gezeichnet , wie unsere Vorfahren , die im Bunker sitzen mussten .
Was soll oder kann ich sonst machen ?


Gerade kommt schon wieder eine tolle Nachricht im Radio .
In Südafrika gibt’s was Neues , der Flugverkehr wurde eingestellt .

Hatten wir das nicht 2020 schonmal ?
Endlosschleife ?
Schon wieder Balkonien und eine einsame Kerze auf dem Kuchen zum 56. ?


Aber ….



Die Flut , so schlimm sie war , hat dagegen etwas Tolles hervorgebracht .

Solidarität !
Menschen halfen Menschen und man kannte sich nicht mal .
Alle haben ohne Diskussion geholfen .
Keine Masken , kein Abstand , Schweiß , Gebrüll und trotzdem kein superspreading event im Schlamm , mit den ganzen Mücken und toten Tieren .
Trotz all der Unkenrufe der Politik ist nichts passiert .

An der Ahr haben wir gesehen , dass wir selbst im schlimmsten, dunkelsten , tiefsten Tal zusammenhalten und allesamt überleben .
Ohne Politik
Ohne Verwaltung
Ohne Bürokratie
Ohne die Angst vor dem unsichtbaren Feind .

Wir haben das geschafft und dann werden wir den anderen Dreck auch irgendwann überstehen , denn der ist einfach nur überbewertet .
Das werden wir irgendwann erkennen .
Dauert noch etwas , aber es wird passieren .

Wenn wir dann , 2024 vielleicht , wieder in die Normalität zurückkehren , dann schauen wir zurück und sagen :

Ja , das waren ein paar Scheißjahre . Aber wir haben es geschafft .


Euch allen alles Gute !
Kymco : Born for fun and speed !
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KIMI_2013
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Re: Ein Rückblick ...

Beitrag von KIMI_2013 »

Sehr schön zusammengefasst 🔝
Optimistisch bleiben, Mund abwischen und weitermachen !
Wie sich zeigt, ist - auf Corona bezogen - die Solidarität hierzulande nicht so ausgeprägt wie in den südlichen Ländern, aber das war zu erwarten. Ich habe ständig mit ungeimpften Kollegen zu tun, die alles besser wissen, glauben, dass sie nichts umhauen würde und der Staat sowieso kein Recht habe blabla... Langsam kotzt es mich an, weil diese „A-Sozialen“ den ganzen Laden aufhalten. :oops:
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